GesundesVerhalten zahlt sich aus

Grundlagenforschung und klinische Forschung zum Schlaganfall arbeiten darauf hin, die Diagnostik, Behandlung, Rehabilitation und Nachsorge von Patientinnen und Patienten mit akutem Schlaganfall zu verbessern. Jeder Einzelne kann aber schon vorher ansetzen, indem er mit seinem Verhalten dazu beiträgt, Schlaganfälle möglichst zu vermeiden.



Es gibt zahlreiche Risikofaktoren, die die Gefahr erhöhen, einen Schlaganfall zu erleiden. Nicht alle davon lassen sich beeinflussen. Beispiel Erbanlagen: Zwar gibt es kein Schlaganfall-Gen im engeren Sinne, wohl aber eine ganze Reihe von Genvarianten, die mit einem höheren Schlaganfallrisiko einher gehen. Ändern lässt sich daran nichts. Auch die Tatsache, dass Schlaganfälle mit dem Alter häufiger werden, entzieht sich dem Einfluss des Einzelnen.


 

Bluthochdruck ist keine Bagatelle! auch bei Neugeborenen und Kindern.

 


Etwas anders sieht die Situation beim Bluthochdruck aus, den Expertinnen und Experten für mehr als die Hälfte aller Schlaganfälle verantwortlich machen. Eine konsequente Einstellung des Blutdrucks kann das Schlaganfallrisiko in hoch relevantem Umfang senken. Die aktuelle Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga zitiert Studien mit insgesamt über 40.000



Patientinnen und Patienten, wonach eine gute Blutdruckeinstellung das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, um 34 Prozent senkt. Das Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben, sinkt sogar um 43 Prozent. Einen hohen Blutdruck nicht als Bagatelle zu betrachten, sondern ernst zu nehmen und auf eine Blutdrucksenkung hinzuarbeiten, ist deswegen die wichtigste Einzelmaßnahme zur Prävention von Schlaganfällen überhaupt.


 

Gesunder Lebensstil hilft auch den Hirnarterien

Erwiesenermaßen reduzieren lässt sich das Schlaganfallrisiko auch durch einen gesunden Lebensstil. Daten, die vom Kompetenznetz Schlaganfall (siehe Seite 40) zusammengetragen wurden, deuten darauf hin, dass regelmäßige körperliche Betätigung bei Männern das Risiko ischämischer, also durch Mangeldurchblutung verursachter, Schlaganfälle um ein Viertel und das Risiko von Hirnblutungen um ein Drittel senkt.


Bei Frauen scheinen die Effekte etwas geringer ausgeprägt zu sein. In ihrer Leitlinie zur Primär- und Sekundärprävention des ischämischen Schlaganfalls empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft, nicht zu rauchen, dreimal pro Woche mindestens 30 Minuten Sport zu machen und sich obst- und gemüse reich beziehungsweise mediterran zu ernähren (frisches Obst und Gemüse, viel Fisch, Einsatz von Pflanzenölen mit reichlich ungesättigten Fettsäuren), um Schlaganfällen (und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen) vorzubeugen.



 

Auf den Körperhören


Zur Schlaganfallprävention selbst beitragen heißt auch, auf Signale des eigenen Körpers zu hören, statt sie zu ignorieren. Besonders deutlich wird das beim Vorhofflimmern. Dabei handelt es sich um eine Herzrhythmusstörung der Herzvorhöfe, bei der sich Blutgerinnsel im Herzen bilden können, die Schlaganfälle verursachen, wenn sie sich von der Herzwand ablösen. Durch eine Blutverdünnung kann das weitgehend verhindert werden. Dazu muss das Vorhofflimmern aber erst einmal bekannt sein. Nicht wenige Patienten, bei denen ein Vorhofflimmern diagnostiziert wird, berichten darüber, schon seit Jahren „Herzstolpern“ gefühlt zu haben.


Schlaganfall Prävention„à la nature“

Für die Frage, wie sich Schlaganfälle verhindern lassen, interessiert sich nicht nur die Präventivmedizin, sondern auch die Grundlagenforschung. Viele Forscherinnen und Forscher versuchen, der Natur über die Schulter zu schauen, um eine naheliegende, aber komplizierte Frage zu beantworten: Warum erleidet ein bestimmter Mensch im mittleren oder höheren Alter plötzlich einen schweren Schlaganfall, während ein anderer im gleichen Alter völlig unbehelligt bleibt – obwohl er vielleicht genauso viele Zigaretten raucht, einen ähnlichen Blutdruck hat und in derselben Fußballmannschaft spielt?



 

Schutzmechanismen für Blutgefäße:Nicht jeder Mensch ist gleich

 

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben an Modellorganismen untersucht, wie sich die Blutgefäße verhalten, wenn ein Schlaganfall stattfindet. Dabei haben sie eine interessante Entdeckung gemacht: Lebewesen scheinen in ihrem Gehirn zumindest teilweise eine Art Notstromversorgung zu haben für den Fall, dass eine Leitung, also ein Blutgefäß, versiegt. Es gibt ein Netz verschlossener Blutgefäße, die bereits vor der Geburt entstehen und die sich öffnen können, sobald es zu einem Schlaganfall kommt.



Die Forscherinnen und Forscher konnten zeigen, dass der Schaden, den ein Schlaganfall im Gehirn anrichten kann, umso geringer ist, je mehr die verschlossenen Kollateralen existieren. Die Anzahl der Kollateralen scheint dabei teilweise genetisch bedingt zu sein. Aber auch bestimmte Risikofaktoren in der Schwangerschaft beeinflussen die Zahl der Kollateralen, mit denen ein Lebewesen an den Start geht. Im Laufe der Jahre verschwinden die Kollateralen dann Schritt für Schritt. Wer am Anfang mehr hatte, ist länger geschützt.


Aus Sicht der Präventivmedizin ist das alles außerordentlich spannend: Vielleicht lassen sich therapeutische Ansätze finden, mit denen verhindert werden kann, dass die angeborenen „Blutgefäßreservisten“ über die Jahre immer weniger werden. Wenn nicht, dann finden sich vielleicht Maßnahmen, mit denen das Verschwinden der versteckten Kollateralen zumindest hinauszögert werden kann. Bis solche Konzepte in klinischen Studien getestet werden können, sind noch viele Jahre Forschung nötig.


 

Doping für die Nervenzellen

 


Direkt an der Natur orientieren sich auch Forschungsarbeiten, die darauf abzielen, die Nervenzellen im Gehirn robuster zu machen, damit sie mit Stresssituationen wie dem Sauerstoffmangel bei einem Blutgefäßverschluss etwas besser umgehen können. Neuroprotektion lautet der Oberbegriff für alle Verfahren, mit denen Nervenzellen daran gehindert werden sollen, vorzeitig zugrunde zu gehen. Wer sich ansieht, wie die Natur ihre Nervenzellen schützt, der erforscht die so genannte endogene Neuroprotektion, also Schutzmechanismen, die der Organismus selbst in Stellung bringt, um seine Nervenzellen vor dem Untergang zu bewahren.


Dabei lassen sich überraschende Entdeckungen machen. Nicht nur Radsportfans wissen, dass der Körper mit dem Hormon Erythropoietin die Bildung von roten Blutkörperchen ankurbelt und damit die Sauerstoffversorgung des Organismus verbessert. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass „Epo“ keineswegs nur für die roten Blutkörperchen, sondern auch für die Nervenzellen im Gehirn wichtig ist. Es wird von den Gliazellen gebildet, in die die Nervenzellen eingebettet sind und es schützt diese Nervenzellen vor einem vorzeitigen Ableben.


Günstig aus Sicht der Neurologie ist, dass es unterschiedliche Varianten des Erythropoietins zu geben scheint, darunter auch solche, die zwar im Gehirn die Nervenzellen schützen, nicht aber im Knochenmark die Blutbildung stimulieren. Genau auf diese Epo-Varianten wollen sich die CSB-Forscher nun konzentrieren und sie in weiteren Experimenten untersuchen. Nicht nur unmittelbar nach einem Schlaganfall, sondern auch im Langzeitverlauf könnte so vielleicht der Schaden im Gehirn begrenzt oder gar repariert werden.


 

Was tun nach dem ersten Schlag?

 


Schlaganfälle von vornherein zu verhindern, ist das Ziel der Primärprävention. Wer bereits einen Schlaganfall erlitten hat, bei dem kommt die Primärprävention jedoch zu spät. Hier geht es darum, einen erneuten Schlaganfall zu verhindern, der für viele Betroffene den Schritt in die Pflegebedürftigkeit bedeutet. Ein konsequentes Management der Blutgerinnung ist der wichtigste Pfeiler dieser Sekundärprävention.  


Ohne Blutverdünnung geht es nicht


Allen Patientinnen und Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall wird heute empfohlen, die Blutgerinnung dauerhaft zu hemmen, um die Gefahr erneuter Schlaganfälle zu verringern: Denn bei 8 bis 15 Prozent der Schlaganfallpatienten kommt es im Laufe des ersten Jahres nach dem Schlaganfall zu einem erneuten Ereignis. Um dieses Risiko zu senken, werden Medikamente eingesetzt, die die Zusammenlagerung der Blutplättchen hemmen und auf diese Weise das Blut „flüssiger“ machen. Die bekannteste und in der täglichen Praxis am häufigsten eingesetzte Substanz ist Acetylsalicylsäure. Ebenfalls zur Blutplättchenhemmung eingesetzt werden Clopidogrel und Dipyridamol. Welches Präparat jeweils am besten geeignet ist, hängt vom individuellen Patienten ab. In großen klinischen Studien konnte eine konsequente Hemmung der Blutplättchen das Risiko erneuter Schlaganfälle im Vergleich zu Placebo um etwa ein Fünftel bis ein Drittel senken.  


Bei Vorhofflimmern sind die Regeln anders

Patientinnen und Patienten, die einen ischämischen Schlaganfall erleiden und gleichzeitig Vorhofflimmern haben, nehmen eine Sonderstellung ein. Beim Vorhofflimmern besteht die Gefahr, dass sich im Herzen ein an die Herzwand angelagertes Blutgerinnsel bildet, das zu Schlaganfällen führen kann, wenn Teile des Gerinnsels ins Gehirn gespült werden. Diese Patienten sollten mit stärker gerinnungshemmenden Substanzen behandelt werden. Fachleute sprechen dann von Antikoagulation.



Jahrzehntelang war Antikoagulation gleichbedeutend mit einer Behandlung mit Vitamin K-Antagonisten. Diese Tabletten neutralisieren das für die Blutgerinnung unverzichtbare Vitamin K und können die Gerinnung dadurch hoch effektiv hemmen. Leider erfordert dieser Ansatz ständige Gerinnungsmessungen, damit das Blut weder zu dünn noch zu dick ist. Mittlerweile gibt es neuere Antikoagulanzien, die ebenfalls als Tablette eingenommen werden können, bei denen der Patient ohne Gerinnungsmessungen auskommt.